Kurzgeschichtenliebe: Sabrina Železný

Sabrina Železný studierte Kulturanthropologie und Altamerikanistik und lebt in Berlin, wenn sie sich nicht auf einer Recherchereise in Peru befindet. Die Liebe zu Kultur und Landsleuten schwingt in jedem ihrer Texte mit; mit viel Einfühlungsvermögen und Sachkenntnis hat Sabrina in mehreren Kurzgeschichten und Romanen die Geschichten und Traditionen des Andenraums und anderer Regionen Lateinamerikas umgesetzt, z.b. mit »Das Türkis des vergessenen Sommers«, in: »Die dunkelbunten Farben des Steampunk« (Art Skript Phantastik Verlag). Ihr Roman »Kondorkinder – Das Spiegelbuch und die verlorenen Geschichten« gewann 2022 den Phantastikpreis der Stadt Wetzlar. Sabrina Železný ist freie Lektorin.

Website: https://www.sabrina-zelezny.de/

3 Fragen an Sabrina Železný

Ein Interview von Meara Finnegan

Wie schafft man es, mit wenigen Worten ein lebendiges Setting oder sogar die Illusion einer ganzen Welt zu erschaffen?

Für die Illusion einer tiefen Welt mag ich das Einstreuen von fremden Selbstverständlichkeiten: Details, Vorlieben, Routinen, die den Figuren vertraut sind, ohne dass sie komplett auserklärt werden. Das deutet den Blick hinter die Kulissen an, ohne den Vorhang ganz wegzuziehen. Natürlich braucht das auch Fingerspitzengefühl, wir wollen die Lesenden ja nicht bis zur Orientierungslosigkeit mit unverständlichen Begriffen oder zusammenhangslosen Eigennamen überschütten. Was für die Handlung selbst wichtig ist, müssen wir gerade in der Kurzgeschichte oft direkter erklären, als wir es auf der großen Roman-Spielwiese machen würden, weil einfach weniger Platz ist. Aber Atmosphäre und die Illusion von Tiefe erschaffen wir oft gerade durch Auslassungen. Eine Figur könnte z.B. beiläufig an ein historisches Ereignis, ein politisches Gremium oder eine typische Süßspeise in ihrer Welt (oder ihrer Alltagsroutine) denken, ohne dass sie selbst oder die Geschichte uns aufwendigst erklären muss, was es damit jetzt auf sich hat. Solange sich aus dem Kontext erschließt, dass etwa der Alpakarello Flip ein fruchtiger Cocktail ist (und kein dämonischer Sportwagen), brauchen wir nicht unbedingt das komplette Cocktailrezept – haben aber trotzdem das Gefühl, mehr über die Figur und ihre Welt erfahren zu haben.

Was machst Du, wenn ein Entwurf einer Kurzgeschichte zu lang ist – wie kürzt man am besten?

Ich glaube, meine Entwürfe sind ausnahmslos immer zu lang, insofern ist das die perfekte Frage für mich. In einem ersten Schritt schaue ich nach inhaltlichen Redundanzen und nach Formulierungen, die wenig aussagekräftig sind oder für die Geschichte nicht relevant. In einem Roman dürfte manches auch bleiben, in einer Kurzgeschichte ist immer die Frage: Brauche ich das für die Atmosphäre, für Figurencharakterisierung, fürs Verständnis der Handlung? Manchmal gibt es Textstellen, die eine Formulierung oder inhaltliche Wendung schwächen, weil sie eine Pointe toterklären oder ein sprachliches Bild überstrapazieren – wie Butter, die zu dünn auf Brot gestrichen wurde, das schon seit Tagen aufgeschnitten in der unaufgeräumten Küche steht und mittlerweile zu trocken ist, um … äh ja, so in der Art.

Meine Geheimwaffe im letzten Schritt ist sanftes Straffen. Füllwörter raus, überflüssige Adjektive streichen, hier und da auf nichtssagende Inquitformeln bei wörtlicher Rede verzichten, Synonyme mit weniger Buchstaben suchen (ja, wirklich). Das macht oft mehr aus als gedacht! Es soll natürlich kein völliger Kahlschlag zulasten von Stil und Atmosphäre sein.

Hast Du Tipps für Autor*innen für die Überarbeitung einer Kurzgeschichte?

Grundsätzlich wohl die klassischen Tipps. Ein bisschen zeitlicher Abstand schärft den Blick für Fehler und Ungereimtheiten, auch ein Mediumswechsel kann helfen, also z.B. die Geschichte ausdrucken. Testlesende finden oft Logiklöcher und offene Fragen, an die wir selbst gar nicht denken. Und laut lesen kann enorm dabei helfen, um holperige Stellen oder inhaltliche Längen zu finden. Kurzgeschichten sind dichter und geradliniger als Romane, das macht manches schwerer, aber gleichzeitig kann es auch leichter sein, den roten Faden im Blick zu behalten und alle Elemente darauf abzuklopfen, ob sie das tragen, was man sich beim Schreiben vorgestellt und vorgenommen hat.