PAN-Stipendium: Interview mit Maja Ilisch

Liebe Maja, hattest du in den letzten Monaten ausreichend Zeit für dein Projekt?

In den ersten Wochen des Stipendiums habe ich mich nicht so sehr in die „Neunte Träne“ reinknien können, wie ich das gern getan hätte, weil ich vorher das Lektorat für den Abschlussband meiner „Neraval-Sage“ über die Bühne bringen musste, und das hatte sich leider verspätet. Danach bin ich voll durchgestartet, habe meinen NaNoWriMo (Anm. d. Red. = National Novel Writing Month – November) mit dem Projekt geschrieben und im Dezember und Januar weiter fleißig daran gearbeitet.

Was hat dir daran am meisten Freude gemacht?

Die Anerkennung, die mit dem Stipendium verbunden ist, hat mir sehr gutgetan. Ich bin jemand, der immer sehr schnell und sehr stark an sich zweifelt, und zu sehen, dass da jemand an mich und meine Ideen glaubt, war eine Wohltat.
Ich habe mir den Luxus genommen, sehr viel Zeit in den Weltenbau zu stecken, etwas, das ich in meiner letzten Serie zu sehr vernachlässigt hatte und dafür von den Lesern abgestraft worden bin, und mir zu zeigen, dass ich eben doch spannende Welten bauen kann, war toll. Ich bin da noch lang nicht am Ende angekommen und habe noch viele weiße Flecken auf meiner Landkarte, und freue mich darauf, diese mit Fortschreiten der Serie nach und nach zu füllen.

Hast du das Angebot der Phantastischen Bibliothek Wetzlar genutzt, dort für eine Zeit in Schreibklausur zu gehen? Wenn ja, wie hat es dir gefallen?

Ja. Ich bin im Januar zwei Wochen lang dort gewesen, und es war toll. Die Bibliothek ist sehr inspirierend, und die Möglichkeit, mich dort ohne Fernsehen und andere Ablenkung ganz auf das Schreiben zu konzentrieren, hat mir sehr geholfen. Ich habe die Gelegenheit benutzt, einen Handlungsbogen, mit dem ich sehr unzufrieden war, komplett von vorne aufzuziehen, was dem Buch und auch mir sehr gut getan hat. Hier ist mein ausführlicher Reisebericht (mit Fotos).

Was hat dir das Stipendium in Bezug auf dieses Projekt ermöglicht?

Das Projekt hätte ich auf jeden Fall realisiert, aber das Stipendium hat sehr gegen die Geldsorgen geholfen. Ich schreibe ja hauptberuflich, aber mir sind durch Covid (keine bezahlten Lesungen mehr, schlechte Buchverkäufe dank Lockdown, verschobener Erscheinungstermin) weite Teilemeiner Einnahmen weggebrochen.

Wie war der Kontakt mit deiner Projektbegleitung?

Sandra Thoms ist sehr nett und verständnisvoll, hat aber ebensowenig wie ich selbst damit gerechnet, wie schwer mir das eigentliche Schreiben fallen würde. Eigentlich wollte sie mich in Sachen Veröffentlichungsmöglichkeiten und Strategien beraten und war davon ausgegangen, dass ich als gestandene Autorin beim eigentlichen Schreiben wenig Hilfe brauche – stattdessen habe ich mir sehr im Wege gestanden, bin nicht so gut vorangekommen wie gehofft, und stehe jetzt mit dem Projekt zwar an einer Stelle, wo ich meinem Verlag auf der Buchmesse als möglichen Nachfolger für die Neraval-Sage präsentieren werde, aber sicherlich noch mehr Zeit zum Schreiben brauchen werde.

Wo standest du, als du das Projekt für das Stipendium eingereicht hast und wo bist du jetzt damit?

Als ich das Projekt eingereicht habe, hatte ich nur einen Prolog und zwei Kapitel, und das war auch der Stand, als die Nachricht kam, dass ich gewonnen habe. Stand heute habe ich zehn Kapitel, von denen aber zwei noch nicht fertig sind. Ich hatte große Probleme mit Kell, einer meiner Hauptfiguren, und habe darum ihren Handlungsbogen insgesamt dreimal neu geschrieben, was mich immer wieder auf Anfang zurückgeworfen und sehr unzufrieden mit mir selbst gemacht hat. Normalerweise bin ich in der Lage, Texte zu produzieren, die ich bereits in der Rohfassung toll finde, aber hier habe ich mir sehr im Wege gestanden und bin mit dem Ergebnis nicht so glücklich, wie ich es gerne wäre – viele Szenen, auf die ich mich vorher gefreut hatte, haben sich viel zäher geschrieben als gedacht und lesen sich meiner Ansicht nach zäh und leblos, ohne dass ich genau den Finger drauflegen kann, was ich falsch gemacht habe. Die Probleme sitzen mehr in meinem Kopf als im Buch selbst.  Aber es gibt auch Stellen, die richtig gut und stimmungsvoll geworden sind und mit denen ich glücklich bin. Es sind vor allem die Probleme mit Kells Handlungsbogen, die mich sehr frustriert haben, und die Tatsache, dass ich am Ende des Stipendiums von der rein produzierten Seitenzahl viel, viel besser dastehen könnte, wenn ich nicht derart viel Text in die Tonne gekloppt hätte. Aber auch das ist letztlich ein Luxus, den mir das Stipendium ermöglicht hat: Mir die Zeit nehmen können, diese Kapitel dreimal neu zu schreiben, und jetzt sind sie an einer Stelle angekommen, wo sie zwar überarbeitungsbedürftig sind (eben wie eine Rohfassung), aber erstmal so stehen bleiben können, und ich freue mich darauf, endlich wieder am hinteren Ende meines Textes weiterzuschreiben, statt immer wieder auf Anfang zurückzugehen.

Und zu guter Letzt ist hier Platz für alles, was du selbst noch von deinem Projekt erzählen möchtest. Also einfach frei von der Leber weg.

Das Stipendium hat mir in vielen Punkten sehr gutgetan, aber in anderen Punkten dazu geführt, dass ich mir selbst im Wege gestanden habe. Dadurch, dass ich mit einem Projekt, das noch ganz am Anfang stand, diesen Preis gewonnen habe, hat sich für mich eine  Erwartungshaltung entwickelt, dass die Geschichte alles, was ich bis dahin zu Papier gebracht habe, in den Schatten stellen muss, und damit habe ich es mir sehr schwer gemacht – ein Versprechen, das unmöglich zu halten ist. Herbst und Winter sind bei mir die Zeiten, in denen ich besonders stark mit Depressionen zu kämpfen habe, und so hatte ich ständig eine kleine Stimme im Kopf, die mir gesagt hat „Du bist nur ein Hochstapler! Du hast das Stipendium überhaupt nicht verdient, und wenn herauskommt, was du für ein Versager bist, werden sie es dir wieder aberkennen!“. Das hat mir beim Schreiben große Steine in den Weg gelegt und dazu geführt, dass ich nicht so frei und vergnügt an das Projekt rangehen konnte, wie ich das gerne wäre. Über weite Strecken habe ich mich dieses Buches so sehr geschämt wie noch nie für etwas, das ich geschrieben habe, und nicht gewusst, wie ich da wieder rauskommen soll. Inzwischen geht es mir besser damit, ich bin doch ganz stolz auf die Figuren und ihre Geschichte, und freue mich auf die Gelegenheit, das Projekt meinem Lektor zu präsentieren (vor ein paar Wochen war ich noch da, wo ich dachte, dieses Machwerk darf ich niemals jemanden lesen lassen).